Wer hat die Zeitungsanzeige geschaltet und in welchem Zusammenhang wurde sie geschaltet?

Im Herbst 1998 traf die deutsche Regierung den Entschluss, eine Bundesstiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter:innen unter Beteiligung der deutschen Wirtschaft zu gründen – die spätere Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Anfang Oktober 1999 protestierten B’nai B’rith International, Federation of Polish Slave Laborers during the Third Reich und weitere Organisationen gegen die Höhe des Stiftungsfonds und die bislang angebotenen Entschädigungszahlungen. Mit einer gemeinsamen Anzeigenkampagne in The New York Times machten sie öffentlich Druck auf Unternehmen wie Mercedes-Benz und Bayer und forderten höhere Zahlungen.

Was ist zu sehen?

Die Anzeige zeigt das Logo von Mercedes-Benz mit den Worten "Design. Performance. Slave Labor." ("Gestaltung. Leistung. Sklavenarbeit."). Darunter folgt ein Zitat von Irving Kempler, der im Alter von 15 Jahren als jüdischer KZ-Häftling zur Arbeit für Daimler-Benz gezwungen wurde.

Der Text erläutert das Ausmaß der Zwangsarbeit und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen durch das Unternehmen im Nationalsozialismus. Er stellt klar, dass Unternehmen nicht gezwungen waren, Zwangsarbeiter:innen zu beschäftigen, sondern sich dazu entschlossen und sogar um die Arbeitskräfte wetteiferten. Daimler-Benz habe sich dabei als aggressives Unternehmen hervorgetan. Der Text kritisiert, dass die ausgebeuteten Menschen nach wie vor auf Entschädigungszahlungen von deutschen Unternehmen warteten, während ehemalige Nazi-Vorarbeiter ihre Löhne und Renten erhielten.

Zwei Fotos zeigen Adolf Hitler während der Fahrt in einem Mercedes-Benz und einen Mann, bei dem es sich um einen sowjetischen Kriegsgefangenen in einem Volkswagen-Werk handelt, bei der Montage eines Autos.

Die Forderung "Justice. Compensation. Now" ("Gerechtigkeit. Entschädigung. Jetzt") steht am Ende der Anzeige.

Was zeigt die Anzeige über die NS-Zwangsarbeit und was ist bei der Auseinandersetzung mit Dokumenten zum Kampf um Entschädigung zu beachten?

Am Beispiel von Mercedes-Benz verdeutlicht die Anzeige die weitgehende Verstrickung der deutschen Wirtschaft in das Verbrechen der NS-Zwangsarbeit. Die Unternehmen schreckten dabei nicht von der Zusammenarbeit mit der SS und der Ausbeutung von zehntausenden Häftlingen aus den Konzentrationslagern zurück.

Die Anzeige stellt gleichzeitig eine Momentaufnahme aus dem jahrzehntelangen Kampf um eine persönliche Entschädigung dar. Bereits Ende der 1940er Jahre erhoben ehemalige Zwangsarbeiter:innen erste Forderungen nach Anerkennung ihres Leids und einer finanziellen Entschädigung. Die Bundesregierung und deutsche Unternehmen lehnten dies jedoch ab. Erst Protestkampagnen, Boykottaufrufe und Sammelklagen gegen deutsche Firmen in den USA führten Ende der 1990er Jahre dazu, dass sich die Bundesregierung zusammen mit Unternehmen zu Zahlungen bereit erklärte. Die Anzeigenkampagne im Oktober 1999 ist ein weiterer Beleg für den Kampf ehemaliger Zwangsarbeiter:innen sowie die zögerliche Entschädigung und Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch deutsche Unternehmen.

Was ist nicht zu sehen?

Unter zunehmenden internationalen öffentlichen Druck erhöhten die Bundesregierung und die Unternehmen die Höhe des Stiftungsfonds auf 5,2 Milliarden Euro (10,1 Milliarden Deutsche Mark), die jeweils zur Hälfte vom deutschen Staat und den Unternehmen zusammengetragen wurden. Ehemalige Zwangsarbeiter:innen konnten aus diesem Fonds eine einmalige persönliche Zahlung erhalten. Die Höhe der Zahlung war abhängig von der Form der Zwangsarbeit, die die Person hatte leisten müssen. Zivile Zwangsarbeiter:innen in der Landwirtschaft erhielten mit maximal 2 235 Euro die niedrigsten Zahlungen. Zwangsarbeiter:innen in der Industrie erhielten 2556 EUR und ehemalige KZ- und Ghetto- Zwangsarbeiter:innen erhielten bis zu 7 669 Euro.

Für viele ehemalige Zwangsarbeiter:innen kamen die Entschädigungszahlungen zu spät: Sie waren bereits verstorben. Zudem waren Gruppen wie die italienischen Militärinternierten und sowjetischen Kriegsgefangenen von den Entschädigungszahlungen ausgeschlossen.

Literatur

Hopmann, Barbara; Spoerer, Mark; Weitz, Birgit und Brüninghaus, Beate: Zwangsarbeit bei Daimler-Benz. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1994.

Jelpke, Ulla und Lötzer, Rüdiger: "Geblieben ist der Skandal – Ein Gesetz zum Schutz der deutschen Wirtschaft", in Winkler, Ulrike (Hrsg.): Stiften gehen. NS-Zwangsarbeit und Entschädigungsdebatte. Köln: PapyRossa Verlag, 2000, S. 235-250.

Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 2001, Kapitel "4 Verantwortung und Entschädigung", S. 233-251.