Im Herbst 2016 suchten unbekannte Militariasammler:innen auf dem Areal des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Zeithain nach militärischen Gegenständen. Eine unbekannte Zahl wurde ausgegraben und entwendet, hunderte Objekte blieben auf dem Gelände oberirdisch und ungeschützt verstreut liegen und wurden später geborgen. Es handelt sich um den bisher größten Fund zeithistorischer Archäologie in Sachsen, welcher eine große Herausforderung in Bezug auf die Erforschung, Restaurierung und Aufbewahrung darstellte. Zu den Fundstücken zählen beispielsweise Hygieneartikel, Medizin, Haushaltswaren und Kleidung, die mutmaßlich aus dem Kriegsgefangenenlager stammen und einen Einblick in die Lebensbedingungen der Gefangenen geben. Auch eine Herkunft aus der Nachnutzung als Durchgangslager für heimkehrende Sowjets und schließlich als Truppenübungsplatz der Roten Armee sind bei manchen Objekten nicht auszuschließen.
Die Funde werden nun seit mehr als zwei Jahren öffentlich und in vollem Umfang gezeigt. Die Ausstellung „Dinge unserer Nachbarn … geborgen. Funde aus dem Kriegsgefangenenlager Zeithain“ will die Beziehungen zwischen Kriegsgefangenenlager und seinem unmittelbaren Umfeld hinterfragen und ist daher als Schaudepot mit Werkstattcharakter angelegt. Sie entwickelt und verändert sich durch die Mitwirkung der Besucher:innen stetig, indem diese Beschreibungen, Informationen, Gedanken, Ideen und Fragen zu den Fundobjekten beitragen. Mitmachen kann jede:r: Aus der Menge der Fundobjekte können die Besucher:innen einzelne Gegenstände herausnehmen, beschreiben, untersuchen und die Ergebnisse auf den bereitliegenden dreisprachigen Fragebögen formulieren. Dafür steht ein Arbeitsbereich zur Verfügung. Die Gegenstände können anderen Besucher:innen (bspw. im Rahmen des Besuchs einer Schulklasse) vorgestellt werden und anschließend zusammen mit den Informationen und Kommentaren in einem Schauregal ausgestellt und durch andere Besucherinnen:innen ergänzt oder auch ersetzt werden. Nach Ende der Ausstellung werden die Objekte zusammen mit den ausgefüllten Fragebögen archiviert und stehen für die weitere Erforschung zur Verfügung.
Zur Bearbeitung der Fundobjekte gehört ebenso eine fundierte Vorbereitung zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs im Allgemein und zum historischen und räumlichen Kontext des ehemaligen Kriegsgefangenen- und Lazarettlagers Zeithain im Speziellen. Nur mit diesem Grundlagenwissen können Besucher:innen, darunter viele Jugendliche aus den Schulen der Umgebung, die Fundobjekte beschreiben und zuordnen. Mithilfe einer großen in der Ausstellung installierten Karte wird das Lager in der Region verortet und die räumliche Dimension sichtbar gemacht.
Bisher haben sich schon viele Menschen an der Erkundung der Objekte beteiligt und vielfach neue Informationen beigetragen. Da dieser Prozess noch immer im Gange und das Interesse an der Beschäftigung mit den Gegenständen noch nicht abgeebbt ist, bleibt die Ausstellung bis Juli 2023 geöffnet. In den letzten zwei Jahren zeigte sich, dass die Arbeit mit den Fundstücken insbesondere für jüngere Schülerinnen und Schüler einen leichteren Zugang zum Thema der Kriegsgefangenschaft ermöglicht und deshalb rege nachgefragt wird. Die Schüler:innen können die Objekte selbst auswählen und sie anfassen. Lernen erfolgt so durch eigenes Erkunden und ohne die Angst, Fehler zu machen, beides Aspekte, die im schulischen Kontext oft nicht zentral sind und die Ausstellung so als wertvolles Instrument der Bildungsarbeit an der Gedenkstätte kennzeichnen. Auch nach Ausstellungsende soll die Arbeit mit Fundstücken als Teil der Bildungsangebote der Gedenkstätte Zeithain für Schüler:innen erhalten bleiben.
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain
Zum Ehrenhain
01619 Zeithain
Milan Spindler
Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pädagogik
milan.spindler@stsg.de
Tel.: 03525 510472