Je tiefer die Zwangsarbeiter:innen in der rassistischen NS-Hierarchie standen, desto größer war der Frauenanteil. Ende August 1944 waren von rund 5,7 Millionen Zwangsarbeiter:innen im Deutschen Reich etwa ein Drittel Frauen; bei den aus Osteuropa Verschleppten machten sie sogar rund 87 Prozent aus.

Die Verordnungen und Gesetze, die die Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Staat regelten, unterschieden nicht zwischen Männern und Frauen. Dennoch gab es in der Realität viele zusätzliche Benachteiligungen für Osteuropäerinnen – sowohl im Vergleich zu osteuropäischen Männern als auch im Vergleich zu Westeuropäerinnen. Das zeigte sich bereits in den großen Durchgangslagern, die alle ausländischen Zwangsarbeiter:innen durchlaufen mussten. Die Männer, Frauen und Kinder wurden hier auf ihre Arbeitsfähigkeit hin begutachtet. Osteuropäische Frauen und Mädchen wurden auf der Suche nach Läusen zudem auch gynäkologisch untersucht – ein Prozess, der von vielen als entwürdigend beschrieben wurde.

Zwangsarbeit

Westeuropäerinnen mussten meistens keine schwere körperliche Arbeit leisten, Osteuropäerinnen hingegen durchaus. Frauen aus der Sowjetunion galten als unerwartet leistungsstark, weniger politisch eingestellt als die sowjetischen Männer und deshalb als geringeres Sicherheitsrisiko. Da sie in den Betrieben meist schlecht bezahlte Hilfstätigkeiten ausübten, waren sie aus Sicht der deutschen Firmen zudem besonders billig. Bei geringsten Vergehen wurden sie hart bestraft und waren stärker von der Einweisung in Konzentrationslager oder sogenannte Arbeitserziehungslager bedroht als westeuropäische Frauen.

Viele sehr junge Zwangsarbeiterinnen arbeiteten in der Landwirtschaft. Sie waren oft alleine auf einem Hof untergebracht, sodass der Austausch und die Unterstützung durch andere Zwangsarbeiterinnen fehlten.

Dies traf auch auf die Zwangsarbeit in Privathaushalten zu. Höhergestellte NS-Beamte und Offiziere konnten junge überwiegend ukrainische Frauen als Hausangestellte und Kindermädchen anfordern. Zwar waren die Lebensbedingungen in diesen Haushalten oft besser als in den Lagern, die Arbeit nicht so schwer wie in der Fabrik und es konnten sich Beziehungen, insbesondere zu den Kindern entwickeln. Allerdings waren gerade diese vermeintlich sicheren privaten Sphären auch Orte von gewaltsamen (sexualisierten) Übergriffen.

Sexualisierte Gewalt und Sex-Zwangsarbeit

Sexualisierte Gewalt stellte für Zwangsarbeiterinnen eine permanente Bedrohung dar, am Arbeitsplatz und in den Lagern: durch andere Zwangsarbeiter, aber vor allem durch deutsche Männer – Lagerleiter, Vorgesetzte, Vorarbeiter. Für die Frauen gab es keine Möglichkeit, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Bei einer Anzeige konnten sie – auch im Fall einer Vergewaltigung – in ein KZ überstellt werden. Über sexualisierte Gewalt gegen männliche Zwangsarbeiter ist bis heute kaum etwas bekannt.

Die deutschen Sicherheitsbehörden wollten Beziehungen zwischen osteuropäischen Männern und deutschen Frauen unbedingt vermeiden. Daher wurden bis November 1943 60 Bordelle für Zwangsarbeiter errichtet, in denen vor allem osteuropäische Frauen Sex-Zwangsarbeit leisten mussten.

Umgang mit schwangeren Frauen und unerwünschten Kindern

Viele Frauen wurden während ihres erzwungenen Aufenthalts in Deutschland schwanger – durch freiwillig eingegangene Liebesbeziehungen mit Deutschen oder anderen Zwangsarbeitern ebenso wie durch Vergewaltigungen. Da die Zwangsarbeiterinnen für die NS-Verwaltung nur wertvoll waren, solange sie arbeiten konnten, wurde eine Schwangerschaft von der NS-Verwaltung als "Sabotage am Arbeitseinsatz" bezeichnet. Schwangerschaften bei Westeuropäerinnen wurden jedoch geduldet. Sowjetische und polnische Frauen, die schwanger waren, wurden bis Ende 1942 in ihre Heimatländer zurückgebracht. Als die Zahl der Schwangerschaften anstieg, weil die Frauen darin eine Möglichkeit sahen, der Zwangsarbeit zu entgehen, wurden vor allem Schwangere aus der Sowjetunion zu Schwangerschaftsabbrüchen gedrängt – sogar noch in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. So sollte die Geburt der aus rassistischen Gründen unerwünschten Kinder unterbunden werden und die Mütter so schnell wie möglich an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Bei Frauen, die ihr Kind zur Welt bringen konnten, stand die Ausbeutung der Arbeitskraft im Vordergrund. Die Pause nach der Geburt sollte möglichst kurz sein, Mutterschutz gab es für Osteuropäerinnen nicht. Vor allem polnische Säuglinge wurden von den NS-Behörden "rassenideologisch" beurteilt: Kinder, die den rassistischen Kriterien der NationalsozialistInnen entsprachen, wurden von ihren Müttern getrennt und als "eindeutschungsfähig" deutschen Eltern übergeben. Die Anderen kamen in sogenannte "Ausländerkinder-Pflegestätten", wo viele an systematischer Unterversorgung starben.

Befreiung und Rückkehr

So sehr die Zwangsarbeiterinnen die Befreiung ersehnten, so ernüchternd und gewaltsam fiel sie in vielen Fällen aus. Sowjetische Zwangsarbeiterinnen wurden von vielen Soldaten der Roten Armee als Huren beschimpft, teilweise auch durch sowjetische Befreier vergewaltigt. Die Frauen standen unter doppeltem Verdacht: Sie wurden beschuldigt, für den Feind gearbeitet zu haben und sexuelle Beziehungen zu deutschen Männern eingegangen zu sein. Viele der zurückgekehrten Frauen litten ihr ganzes Leben lang darunter und hatten oft mit erheblichen Nachteilen im beruflichen wie im privaten Leben zu kämpfen.

 

Literatur:

Tamara Frankenberger, "Wir waren wie Vieh". Lebensgeschichtliche Erinnerungen ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiterinnen, Münster 1997.

Wolfgang Frobenius, Abtreibungen bei "Ostarbeiterinnen" in Erlangen. Hochschulmediziner als Helfershelfer des NS-Regimes, in: Andreas Frewer/Günther Siedbürger (Hg.), Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Einsatz und Behandlung von "Ausländern" im Gesundheitswesen, Frankfurt/M. 2004, S. 283–308.

Raimond Reiter, Tötungsstätten für ausländische Kinder im Zweiten Weltkrieg. Zum Spannungsverhältnis von kriegswirtschaftlichem Arbeitseinsatz und nationalsozialistischer Rassenpolitik in Niedersachsen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bd. 39), Hannover 1993.