Dem zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften während des Zweiten Weltkrieges begegnete das Deutsche Reich mit der Anwerbung und Deportation von Menschen aus allen Ländern Europas: Zum einen versuchte das nationalsozialistische Regime, Arbeitskräfte auf freiwilliger Basis anzuwerben, zum anderen wurden Millionen Menschen mit Gewalt zur Zwangsarbeit deportiert. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung in der Rekrutierung lag in der rassistischen Ideologie der NationalsozialistInnen, die Menschen aus Westeuropa für höherwertig und Menschen aus Osteuropa für minderwertig erklärte. Während die deutsche Besatzungsverwaltung in westeuropäischen Ländern dementsprechend zunächst auf Freiwilligkeit setzten, wurden in den osteuropäischen Ländern Männer, Frauen und Kinder oft kurzerhand mit Gewalt verschleppt. Im Kriegsverlauf verschärfte sich in allen besetzten Gebieten das Vorgehen, um Menschen zur Arbeit zu zwingen.

Verbündete Staaten

Das Deutsche Reich hatte in Europa zahlreiche Verbündete. Aus diesen Staaten – wie Ungarn, der Slowakei, Kroatien oder Italien (bis 1943) – wurden Arbeitskräfte mit zwischenstaatlichen Abkommen angeworben. Die so nach Deutschland Gelangten waren zumeist männliche Arbeiter und formal keine Zwangsarbeiter. Jedoch entsprachen ihre Arbeits- und Lebensbedingungen oft nicht den deutschen Versprechungen. Im Kriegsverlauf veränderte sich zudem der Status einiger Gruppen, sodass aus formal freien Arbeiter:innen Zwangsarbeiter:innen wurden.

Westeuropa – Propaganda und Zwang

In den von Deutschland besetzten Staaten Westeuropas wie Frankreich, Belgien und den Niederlanden hielten die NationalsozialistInnen lange an ihrem Plan fest, Menschen freiwillig für die Arbeit in Deutschland anzuwerben. Auf Plakaten, die überall zu finden waren, warben die Besatzungsverwaltungen mit den guten Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland. Dabei bedienten sie sich häufig einer Doppelstrategie aus Druck und Versprechungen. Beispielsweise startete die deutsche Besatzungsverwaltung im Sommer 1942 zusammen mit der französischen Kollaborationsregierung eine große Propagandaaktion, mit der die französische Bevölkerung moralisch erpresst werden sollte: Auf je drei Freiwillige, die sich zur Arbeit in Deutschland melden, versprachen sie einen französischen Kriegsgefangenen in die Heimat zu entlassen. Doch der gewünschte Erfolg blieb aus. Von den erhofften 150 000 Arbeitskräften meldete sich lediglich ein Drittel.

In allen westeuropäischen Städten öffneten deutsche Anwerbungsbüros – Ableger der Arbeitsämter, bei denen sich Freiwillige melden sollten. Grundlage des Arbeitsverhältnisses in Deutschland war ein Arbeitsvertrag. In der Realität wurden die Vertragsinhalte in Deutschland jedoch nicht eingehalten. So durften Arbeiter:innen nach dem formalen Vertragsende nicht in ihre Heimat zurückkehren, Urlaub wurde oftmals nicht gewährt. Auch die Arbeits- und Lebensbedingungen im Deutschen Reich waren meistens unbefriedigend. Und auch hier wurde aus zunächst einvernehmlich geschlossenen Arbeitsverhältnissen im Verlauf des Krieges Zwangsarbeit.

Arbeitspflicht – Zwangsarbeit

Zusätzlich zu diesen mehr oder weniger freiwilligen Abkommen wurden viele französische, belgische, niederländische, sowie tschechische Männer und Frauen zur Arbeit in Deutschland gezwungen. So führten die deutschen Besatzer zum Beispiel in Frankreich 1943 einen obligatorischen Arbeitsdienst (STO) ein: Alle Männer, die zwischen 1920 und 1922 geboren worden waren, mussten einen zweijährigen Arbeitsdienst in Deutschland leisten. In Belgien wiederum wurde bereits im Oktober 1942 die Rekrutierung von Männern zwischen 18 und 50 Jahren und von unverheirateten Frauen zwischen 21 und 35 eingeführt. Dagegen jedoch formierte sich breiter Protest, so dass die Verordnung für die Rekrutierung von Frauen wieder zurückgezogen wurde.

Gleichzeitig wurden die Lebensbedingungen in den besetzten Ländern so verschlechtert, dass die Arbeit in Deutschland als das kleinere Übel erschien. Indem Lebensmittelkarten verwehrt oder Arbeitsstätten geschlossen wurden, entzog die deutsche Besatzungsverwaltung ganzen Familien die Lebensgrundlage. Rein formal meldeten sich also weiterhin manche Menschen freiwillig. Tatsächlich handelte es sich häufig um eine erzwungene Entscheidung in einer ausweglosen Situation. Da außerdem die Anzahl der Freiwilligen bei Weitem nicht den deutschen Bedarf an Arbeitskräften deckte, nahmen im Verlauf des Krieges auch in besetzten westeuropäischen Ländern die Zwangsmaßnahmen zur Gewinnung von Arbeitskräften zu und gipfelten in organisierten Menschenjagden.

Osteuropa und Polen

Anders stellte sich die Entwicklung in Osteuropa dar. Im besetzten Polen und der besetzten Sowjetunion bzw. in deren belarussischen, russischen und ukrainischen Gebieten spielte freiwillige Anwerbung eine sehr untergeordnete Rolle. Nur am Anfang des Krieges ließen sich Menschen in Polen noch von deutschen Versprechen täuschen – doch schon bald wurde die brutale Realität der Zwangsarbeit offenkundig und die Freiwilligkeit sank gegen Null. In den besetzten Gebieten der Sowjetunion wurden ganze Dorfgemeinschaften – einschließlich sehr alter oder sehr junger Menschen – zur Zwangsarbeit verschleppt.

Gewaltsame Deportationen

Adolf Hitler setzte im März 1942 Fritz Sauckel als Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA) ein.

Dieses neu geschaffene Amt diente vor allem dazu, die von der deutschen Wirtschaft benötigten Arbeitskräfte nach Deutschland zu bringen. Sauckel bekam weitreichende Befugnisse und einen Einflussbereich, der bis in die letzten Winkel des besetzten Europas reichte. Er konnte dabei auch auf bewaffnete Einheiten wie Polizei und Wehrmacht zurückgreifen. So eskalierte die Gewalt gegen die Bevölkerung in den besetzten Gebieten. Unter Sauckel wurden etwa 7,5 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit "rekrutiert". Dies hieß nichts anderes, als dass Menschen in Alltagssituationen – zum Beispiel nach dem Besuch einer Kirche, auf Marktplätzen, in Kinos – gefangen genommen und nach Deutschland verschleppt wurden.

 

Literatur:

Raphaël Spina, Histoire du STO, Paris 2017.

Swantje Greve, Das "System Sauckel." Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz und die Arbeitskräftepolitik in der besetzten Ukraine 1942-1945, Göttingen 2019.

Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn 1999.